Wir haben lange in einer bequemen Illusion gelebt. Die Wirtschaft schien ein autark funktioniertendes System zu sein, und der Markt, so glaubten wir, würde sich schon selbst regeln. Wir haben Gewinne privatisiert und ökologische Schäden der Allgemeinheit auferlegt. Was wir dabei komplett übersehen haben ist, dass der Markt nie wirklich alles im Blick hatte: Schon garnicht die natürlichen Ressourcen – die wir als so selbstverständlich erachteten. Was uns nun klar wird ist: Reality strikes back - in Form von Klimawandel, Ressourcenknappheit und sozialer Ungleichheit. Wir müssen umdenken!
Regenerative Geschäftsmodelle sind gegenwärtig nicht mehr nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit. Anders als die altbekannten Ansätze, die lediglich versuchen, den Schaden zu begrenzen, zielen regenerative Modelle darauf ab, die Welt in der wir leben, aktiv zu heilen und zu stärken. Sie sind der Schlüssel zu einer Zukunft, die nicht nur überlebt, sondern gedeiht – und genau das, was wir nun brauchen, um das Blatt nachhaltig zu wenden.
Starten wir beim Thema “Organisationen”. Regenerative Geschäftsmodelle erkennen Organisationen wie es z.B. Unternehmen sind als integralen Bestandteil eines größeren ökologischen und sozialen Systems an. Sie streben nicht nur danach, weniger schädlich zu sein, sondern tragen aktiv zur Regeneration von Ökosystemen und Ressourcen sowie zur Förderung sozialer Gerechtigkeit bei. Die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks ist dabei mindestens genauso wichtig, wie deren Folge: Eine positive Auswirkung, die das Wohlbefinden der Erde und ihrer Bewohner stetig verbessert. 1
Regenerative Geschäftsmodelle basieren also auf einer ganzheitlichen Betrachtung der Rolle, die Unternehmen innerhalb der ökologischen und sozialen Systeme haben. Dabei setzen sie auf die aktive Wiederherstellung und Stärkung dieser Systeme. Reine Schadensminimierung, die herkömmliche nachhaltige Geschäftsmodelle fokussierten, ist also obsolet. Diese vier zentralen Merkmale zeigen warum:
1. Kreislaufwirtschaft
Regenerative Geschäftsmodelle setzen auf kreislauforientierte Ansätze, bei denen Abfälle möglichst vermieden und Ressourcen im Umlauf gehalten werden. Das heißt, Produkte und Materialien werden nach ihrer Nutzung nicht einfach weggeworfen, sondern wieder in den Produktionskreislauf eingebunden. Eine klassische Win-Win-Situation: Die Lebensdauer bleibt erhalten und der Verbrauch von Ressourcen wird reduziert.
2. Positive Auswirkungen
Das Ziel ist es, mit dem eigenen Geschäft nicht nur weniger Schaden anzurichten, sondern tatsächlich etwas Gutes zu bewirken. Dazu gehört zum Beispiel, Ökosysteme wiederherzustellen, die Artenvielfalt zu fördern oder das Leben in Gemeinschaften zu verbessern.
3. Systemdenken
Regenerative Modelle setzen ein tiefes Verständnis dafür voraus, wie die verschiedenen Teile eines Systems miteinander verknüpft sind. Mit diesem ganzheitlichen Denken entstehen Lösungen, die das gesamte System stärken, statt sich nur auf einzelne Bereiche zu fokussieren. 2
4.Anpassungsfähigkeit
In einer Welt, die sich ständig wandelt, müssen Unternehmen flexibel und anpassungsfähig sein. Regenerative Geschäftsmodelle sind deshalb darauf ausgelegt, auf Veränderungen zu reagieren und aus Rückschlägen zu lernen, um sich stetig weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Regenerative Geschäftsmodelle sind weit mehr als ein Trend. Sie sind eine Notwendigkeit, um eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Warum? Der Klimawandel ist eine der größten Bedrohungen unserer Zeit. Regenerative Geschäftsmodelle gehen einen Schritt weiter als nur CO2-Emissionen zu reduzieren. Sie fördern aktiv die Bindung von Kohlenstoff, indem sie Wälder, Böden und andere natürliche Speicher schützen und wiederherstellen. Das sorgt nicht nur für einen kühleren Planeten, sondern auch für widerstandsfähigere Ökosysteme – und das kommt allen zukünftigen Generationen zugute.
Ohne Artenvielfalt keine funktionierenden Ökosysteme. Biodiversität ist die Basis für sauberes Wasser, frische Luft und fruchtbare Böden – kurz: unser Überleben. Regenerative Modelle setzen alles daran, diese Vielfalt zu bewahren und natürliche Lebensräume zu regenerieren. Denn nur in gesunden Ökosystemen kann wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand langfristig gesichert werden.
Die Welt wird immer ungleicher, und gerade die am stärksten benachteiligten Gemeinschaften leiden unter Umweltverschmutzung und Ressourcenknappheit. Regenerative Geschäftsmodelle wollen das ändern. Sie setzen auf faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und den Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen – für eine gerechtere Welt.
Nachhaltigkeit bedeutet auch, wirtschaftlich resilient zu sein. Unternehmen, die auf regenerative Ansätze setzen, denken langfristig. Sie schaffen nicht nur kurzfristigen Gewinn, sondern legen die Grundlage für kontinuierliches Wachstum und Stabilität. Mit Prinzipien wie Wiederverwendung, Anpassungsfähigkeit und Gemeinschaftsunterstützung sind sie fit für die Zukunft.
Die Umsetzung eines regenerativen Geschäftsmodells verlangt, zwei wesentliche Perspektiven zu vereinen: die kurzfristigen Bedürfnisse der Konsument:innen und das langfristige Wohl der Gesellschaft. Wenn Menschenzentrierung noch nicht im Kern der Unternehmensphilosophie verankert ist: Don’t wait! Ein grundlegender Paradigmenwechsel in Unternehmensführung und -kultur ist oft unerlässlich. Es gilt, sich von kurzfristigen Geschäftsstrategien zu lösen und stattdessen einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, der das langfristige Wohl der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Dieser Ansatz schafft Produkte und Dienstleistungen, die nicht nur den aktuellen Bedürfnissen der Konsument:innen gerecht werden, sondern auch positive Einflüsse auf die Gesellschaft haben.
Der Schritt weg von reiner Profitmaximierung hin zu einem Modell, das den nachhaltigen Wohlstand aller Beteiligten in den Vordergrund stellt, ist zweifellos herausfordernd. Doch dieser Wandel ist unerlässlich, um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen zu sichern und gleichzeitig den Bedürfnissen der Menschen von heute und morgen gerecht zu werden. Nur durch diesen Ansatz lässt sich eine nachhaltige und gerechte Zukunft gestalten, die langfristig erfolgreich ist.
Doch was sind die wichtigsten Schritte und Ansätze, die dabei helfen, regenerative Praktiken erfolgreich umzusetzen?
Rethink! Um regenerative Prinzipien erfolgreich umzusetzen, ist es notwendig, Produkte und Dienstleistungen von Grund auf neu zu denken. Diese innovativen Ansätze helfen dabei, Nachhaltigkeit in die Praxis zu überführen:
Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und Regeneration sollten durch alle Aspekte des Geschäftsmodells hindurch umgesetzt werden – von der Produktgestaltung bis zur gesamten Wertschöpfungskette.
Regenerative Geschäftsmodelle setzen einen klaren Fokus auf soziale Gerechtigkeit und arbeiten aktiv daran, soziale Ungleichheiten zu verringern und das Wohl aller Beteiligten zu verbessern:
Die drängendsten globalen Herausforderungen erfordern ein Bewusstsein dafür, dass Unternehmen Teil eines größeren Ökosystems sind und echte Veränderungen nur durch Zusammenarbeit erreicht werden können. Also: Weg von isolierten Ansätzen, hin zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Unternehmen, Gemeinschaften und Individuen, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Maja Göpel, eine führende Expertin für nachhaltige Entwicklung, plädiert für einen Wandel von einer egozentrischen hin zu einer ökozentrischen Wirtschaft. Sie spricht von einem Übergang von einem „Ego-System“ zu einem „Eco-System“, in dem das Wohl aller Menschen und des Planeten im Mittelpunkt steht.6 Dieser Paradigmenwechsel erfordert gemeinschaftliches Handeln, das die Bedürfnisse aller Beteiligten – einschließlich der Natur – berücksichtigt.
Um diesen Wandel zu vollziehen, ist ein tiefes Bewusstsein für die Wechselwirkungen innerhalb sozialer und ökologischer Systeme erforderlich. Kooperation über verschiedene Ebenen hinweg wird zunehmend wichtig. Es geht um gegenseitiges Lernen und Verantwortungsübernahme statt um das Abgeben von Verantwortung.
Elinor Ostroms Konzept der polyzentrischen Governance hebt hervor, wie wichtig es ist, auf allen Ebenen zusammenzuarbeiten.7 Der Fokus liegt darauf, die Stärken und Perspektiven aller Beteiligten zu nutzen, um Lösungen zu entwickeln, die sowohl lokal als auch global Wirkung zeigen. Beispiele wie individuelle Konsument:innenentscheidungen, kommunale Initiativen wie Urban Farming und unternehmerische Praktiken wie die Nutzung erneuerbarer Energien zeigen, wie kollaboratives Handeln ökologische und soziale Herausforderungen angehen kann.
Die Einführung und Umsetzung regenerativer Geschäftsmodelle bietet Unternehmen nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sondern trägt auch aktiv zur Bewältigung der wichtigsten globalen Herausforderungen bei. Die kommenden Jahre werden die Kosten sozial-ökologischer Krisen sowohl auf gesellschaftlicher Ebene als auch für einzelne Unternehmen erheblich steigen. Hinzu kommen die Kosten des Nicht-Handelns und die sich ändernde Regulierung. Deshalb ist es aus rein ökonomischer Sicht unverzichtbar, ernsthaft auf regenerative Wirtschaftspraktiken umzusteigen. Unternehmen, die jetzt den Weg in diese Richtung einschlagen, werden voraussichtlich die wirtschaftlich erfolgreichsten der Zukunft sein.
Dieser Weg verlangt Mut, Kreativität und ein tiefes Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Doch die Belohnung ist eine Zukunft, in der Unternehmen, Menschen und der Planet gemeinsam florieren können.
Durch das Übertreten der traditionellen Nachhaltigkeitsgrenzen und die Integration regenerativer Praktiken in die Geschäftsstrategien schaffen Unternehmen nicht nur Mehrwert für sich selbst, sondern auch für die Gemeinschaften und natürlichen Systeme, von denen sie abhängen. Die Transformation mag herausfordernd sein, doch sie ist entscheidend für eine nachhaltige und gerechte Zukunft.
Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zur Regeneration des Planeten sowie zur Förderung einer gerechteren Gesellschaft beizutragen. Regenerative Geschäftsmodelle sind der Schlüssel zu langfristigem wirtschaftlichem Erfolg und zu einer Welt, in der Wohlstand und Gerechtigkeit für alle möglich sind.
3: Thomas Speck: Bionik
4: Ulla A. Saari, Cornelius Herstatt & Vytaute Dlugoborskyte: Cradle-to-Cradle Front-End Innovation: Management of the Design Process
5: Digitalwerk: Design for Disassembly
6: Maja Göpel: Lost in Ego-Fixation
7: Elinor Ostrom: Polycentric Systems for Coping with Collective Action and Global Environmental Change
Insights, Gedanken und Impulse aus unserer täglichen Arbeit